Die sowjetische Seite von Danzig - und deutsche Döner

 Nachdem ich gut ausgeschlafen habe und zum ersten Mal die Dusche im Hostel (Hostel 4U) benutze, bei der nebenbei bemerkt der Anschluss für warmes und kaltes Wasser vertauscht sind, begebe ich mich nach draußen. Ich sollte wahrscheinlich, nachdem ich gestern nach meiner Ankunft im Bett nur Stroopwaffels aus meinem Reisegepäck gegessen habe, etwas frühstücken.

Als ich wiedermal ohne Plan durch die Altstadt irre, stoße ich auf eine kleine Mall, auf der an den außen angebrachten Schildern mit den darin liegenden Geschäften unter anderem Netto steht. Das Logo war zwar anders als das des deutschen Netto, aber ich kann mir dennoch vorstellen, dass die Geschäfte zusammengehören.
Als ich reingehe ist es auch tatsächlich ein Lebensmittelladen. Ich nehme mir eine Packung Kinder Cards und eine Flasche Pepsi als "Frühstück" mit. Danach begebe ich mich wieder nach draußen und laufe mal auf die andere Seite der Hauptstraße, die ich gestern Abend entlang zum Hostel gelaufen bin.

Nach ein paar hundert Metern frage ich mich, was eigentlich mein Ziel ist und entscheide mich dazu, auf Google Maps nach einem Park in der Nähe zu suchen. Dabei stoße ich auf den Park Steffensów. Der ist ungefähr eine halbe Stunde von meinem aktuellen Standort entfernt.

Auf meinem Weg dorthin laufe ich auf der Straßenseite, die den Bahnschienen näher ist. Ich muss aber feststellen: Ich bin hier auf einer Fahrrad-only Straße gelandet und laufe quasi die ganze Zeit im Fahrradverkehr. Dabei kommt mir auf meiner ganzen Strecke auch nur eine einzige Person ohne Fahrrad entgegen.

Während meiner ganzen Reise schaue ich mir immer wieder die Sticker an den Laternen an. Während mir in Warschau auf dem Weg zum Hostel einige deutsche Sticker aufgefallen sind, ist es heute ein explizit rechter politischer Sticker mit der Aufschrift "White Lifes Matter" und einem Telegram Link. Ich denke einen Moment darüber nach, den Sticker mit einem meiner Sticker zu überkleben, mache allerdings dann doch nur ein Foto und laufe dann weiter.

Auf Höhe eines Bahnhofs führt eine Treppe nach unten, wodurch ich endlich auf die richtige Straßenseite gelange und nicht mehr im Fahrradverkehr stecke.
Hier laufe ich nun entlang, bis ich auf eine große Kreuzung treffe, wo ich wieder auf meine ursprüngliche Straßenseite wechsle. Denn ab hier beginnt der Park.

Der Park sieht sehr verlassen und verloddert aus. Ich mache mir Gedanken darüber, ob es zu Zeiten des sozialistischen Polens wohl hier besser aussah.
Zwischenzeitlich habe ich sogar Sorge, dass der Park gefährlich sein könnte, hier Junkies übernachten könnten, oder Menschen die im Gebüsch darauf warten, dass eine einsame Person durch den Park läuft, um diese zu überfallen.

Ebenfalls im Park ist ein altes Gebäude, das mittlerweile vollständig in sich zerfallen ist. Der perfekte Ort für das eben noch ausgemalte Szenario. Glücklicherweise passiert nichts und ich sehe auch keine Menschen dort in der Nähe.

Richtung Ende des Parks fällt mir auf einmal etwas ins Auge: Durch das Gebüsch zur Straße hindurch sehe ich einen alten Panzer von Hinten auf einem Podest stehen. Da geht mein Herz auf!
Ich bin eigentlich davon ausgegangen, aufgrund der sozialismuskritischen Gesetze in Polen keinerlei sowjetische Geschichte mehr auf der Straße zu entdecken.
Ich laufe sofort zum Panzer und bestaune ihn für einige Zeit.

 

Es handelt sich hierbei um einen T34.
Ich überlege, noch ein Selfie mit dem Panzer zu machen. Da ich aber nicht weiß, wie die Menschen um mich herum, die mit Fahrrädern an mir vorbeifahren darauf reagieren, lasse ich es erst einmal. Denn schon gestern in Lublin habe ich beim Besuch meiner Freundin gemerkt, wie sensibel das Thema Sozialismus ist und dass man damit sehr schnell sehr negative Gefühle bei den Menschen auslösen kann.

Nachdem ich den Panzer von wirklich allen Ecken genau inspiziert habe, gehe ich die Straße etwas weiter hinunter, bis mir einfällt, dass ich ChatGPT fragen könnte, ob es noch weitere sowjetische Denkmäler in der Stadt gibt. Und tatsächlich! Es gibt noch einen Friedhof der Rotarmisten, die im Kampf um die Stadt gegen die deutschen Faschisten gefallen sind. Den will ich mir als nächstes ansehen.
Abgesehen von dem Fakt, dass ich dafür in die exakt falsche Richtung gelaufen bin, ist er mit 20 Minuten Fußmarsch auch gar nicht weit weg.

Um mir den Weg etwas zu versüßen nehme ich mir meine Kopfhörer und starte meine liebste Spotify-Playlist "Kampflieder der Arbeiterklasse". Leise singe ich die Lieder mit, während ich zum Friedhof laufe.
Zwischendurch komme ich noch mal am Panzer vorbei und entscheide mich nun doch noch ein Selfie mit erhobener Faust zu machen.

 Kurz vor dem Friedhof stoße ich noch auf einen anderen normalen Friedhof. Ich frage mich, ob man den Friedhof mittlerweile doch entfernt hat. Aber direkt dahinter ist er tatsächlich. Es spaziert ein Mann mit seinem Hund auf dem Friedhof, der hinter einer kleinen unverschlossenen Pforte liegt.

Ich begebe mich auf den Friedhof und schaue mir zunächst die Statue direkt am Eingang an. Danach laufe ich den Gräbern entlang, an dessen Umrandungssteinen die Namen der Soldaten in Kyrillischer Schrift stehen.
Da der Friedhof scheinbar nicht mehr aktiv gepflegt wird, wachsen zwischen den Fugen der Namenssteine Unkraut-Pflanzen, die ich - sofern sie zu groß sind - herausziehe. Es stehen vereinzelt Kerzen in der Gegend herum und ich nehme mir vor, morgen mit einer Kerze zurückzukommen und den Soldaten zur Ehre eine Kerze anzuzünden.

Ganz vorne ist eine Große Steintafel auf Polnisch und Russisch. 

Danach bin ich ziemlich erschöpft und möchte erst einmal wieder zurück zu meinem Hostel. Auf dem Hinweg zum Park ist mir eingefallen, dass ich einen Schrittzähler auf meinem Handy installieren sollte. Bis dahin habe ich heute wohl schon etwa 3.000 Schritte gemacht. Am Abend sollen es dann laut App etwa 17.000 Schritte gewesen sein, die die App aufgezeichnet hat.

 Als es später dunkel wurde, habe ich mich nochmal dazu entschieden einen kleinen Marsch in die nahegelegene Mall zu unternehmen. Ich muss ja schließlich noch den Berlin Döner Kebap ausprobieren.

Für etwa 6€ ist der Preis ganz in Ordnung. Ich probiere den Döner mal mit Tzatziki statt Knoblauchsoße aus. Bei dem Geschäft bekommt man einen Pieper in die Hand gedrückt, der dann klingelt und vibriert, sobald das Essen fertig ist.

Ich bin überrascht: Der Döner, den ich bestellt habe, sieht tatsächlich genau so aus, wie ein deutscher Döner - und schmeckt aus so. Es fehlt nur etwas Soße. Daran haben sie gespart.

 

Danach ist es auch schon Zeit, wieder zum Hostel zurückzukehren.

 

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